Raimund Lang: „Rotes Mammut“

Zum Buch „Rotes Mammut“

Große Romanfolgen sind in der Literatur selten. Und doch stellen sie den Höhepunkt belletristischer Kunst dar. Der große Bogen, der ganze Epochen überspannt oder kulturübergreifend angelegt ist, es findet sich fast nur bei den herausragenden Meistern der Gattung. Lion Feuchtwanger hat es geschafft, Egon Caesar Conte Corti, Josef Roth, ……

Die österreichische Autorin H.C. Clain beweist also Mut mit ihrem Projekt, die Geschichte einer Familie vor dem Hintergrund der zerbrechenden und sich neu formenden europäischen Ordnung darzustellen. Auf mehr als zehn Bände ist die Serie angelegt, etwa die Hälfte davon liegt bereits vor. Und sie beweist hiefür auch Könnerschaft. Mit außerordentlichem, offenbar sowohl durch Quellenstudium als auch durch intensive Reisetätigkeit gewonnenem, Sachwissen bereichert um eine diszipliniert eingesetzte Phantasie, führt sie den Leser quer durch ein Jahrhundert und dabei rund um die Welt. Der Gesamttitel „Die Flieger“ ist durchaus symbolisch konnotiert. Es ist ein Flug über die wechselhaften Strömungen der europäischen Gezeiten.

Der Band „Rotes Mammut“, in der Chronologie als Nummer sechs gereiht, bringt uns in die Gegenwart - eine uns bitter betreffende Gegenwart, geht es doch um ebenso brennende wie verschleierte Grundfragen unserer Zeit. Rüstungsexporte, Waffenschieberei, Finanzmanipulationen, mafiose Strukturen, Rassenhass, Kindesmissbrauch und Gewaltverbrechen - nein, es ist kein erbauliches Buch, aber ein wahrhaftiges. Und es gewinnt durch die erkennbare Anteilnahme an den aktiven und passiven Lebenserfahrungen der Hauptpersonen seine persönliche Note.

Frau Clain schreibt eine klare, manchmal fast protokollarische Sprache. Sie beschreibt präzise, klar und knapp, dazu nicht ohne anekdotische Lebendigkeit, aber immer auf den stringenten Handlungsverlauf bedacht. Dabei scheut sie niemals die emotionelle Befindlichkeit - im Gegenteil. Immer wieder spürt man die feinnervige Sensibilität: Die Autorin war vor ihrer literarischen Tätigkeit Ballerina.

Dem Liebhaber historischer Zusammenhänge, dem Genießer überraschender Wendungen, dem Freund realitätsbezogener Spannung ist die Lektüre dieses Buches durchaus anzuraten.

Raimund Lang

 

Raimund Lang war nach Matura und Theaterkonservatorium in Wien ein Jahrzehnt am Theater. Später übersiedelte er nach Norddeutschland. Als Schauspieler, Sprecher, Kritiker und Moderator machte er sich einen Namen. Er ist freiberuflich für den NDR tätig. Raimund Lang ist als Historiker – Schwerpunkt Universitätsgeschichte – in Fachkreisen anerkannt.